Seit 2013 sind psychische Belastungen am Arbeitsplatz im Arbeitsschutzgesetz verankert. Damit ist jeder Unternehmer dazu verpflichtet, regelmäßig eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz durchzuführen – und daraus entsprechenden Maßnahmen abzuleiten und umzusetzen.
Gesetzlich vorgeschrieben ist viel. Mir stellt sich also die Frage: hat eine psychische Gefährdungsbeurteilung denn noch andere Vorteile als nur die Erfüllung von Paragraphen?
Ein Hauptargument für Unternehmen: die Kosten.
Argumente können nur schwer gemessen und gewichtet werden. Als Informatiker mit einer natürlichen Neigung zu Zahlen und Systematisierung habe ich also einen Versuch gestartet, die Auswirkungen guter und schlechter Bedingungen am Arbeitsplatz in Zahlen auszudrücken. Und sie somit auf eine Grundlage zu stellen, auf der sie gemessen und miteinander verglichen werden können.
Mein Ziel war dabei, einen Eindruck davon zu gewinnen, wie Bedingungen am Arbeitsplatz in Zahlen dargestellt aussehen – keine hieb- und stichfeste Analyse. Die Grundlage der Berechnungen bilden angenommene Werte – basierend auf Erfahrungen, grob über den Daumen gepeilt.
Achtung, Spoiler: das Ergebnis war für mich erschreckend!
Grundlagen der Berechnungen
Ich habe die Berechnungen für die folgenden 3 Gehaltsstufen durchgeführt:
Gehaltsstufe | Gehalt | Urlaubstage pro Jahr | Ausfallkosten € pro Tag |
---|---|---|---|
hoch | 60000 | 32 | 560 |
mittel | 30000 | 28 | 360 |
niedrig | 19000 | 24 | 160 |
Danach habe ich Annahmen zu Punkten gemacht, die erfahrungsgemäß von der Zufriedenheit am Arbeitsplatz beeinflusst werden: Grad der Motivation eines Mitarbeiters und damit verbunden seine Arbeitsleistung, Kranktage und die Fluktuation der Mitarbeiter des Unternehmens / der Abteilung.
Außerdem werden die Ausfallkosten eines Mitarbeiters bei Krankheit, die Anzahl seiner Urlaubstage, Kosten für die Einstellung neuer Mitarbeiter, deren Einarbeitungszeit und damit verbundene Verluste in der Arbeitsleistung berücksichtigt.
motivierter Mitarbeiter | Mitarbeiter mit Schwierigkeiten | Mitarbeiter mit großen Problemen, Ängsten | |
---|---|---|---|
Soll-Arbeitstage / Jahr | 270 | 270 | 270 |
tägliche Arbeits-leistung im Schnitt | 100% | 85% | 70% |
Kranktage pro Jahr | 5 | 12 | 34 berücksichtigt: ab Tag 31 keine Lohnfortzahlung mehr durch Arbeitgeber |
Fluktuation | 3% | 15% | 25% |
Arbeitsleistung nach Kündigung | 70% | 50% | 25% |
Einstellen eines neuen Mitarbeiters
Einarbeitungszeit Tage | 125 |
Arbeitsleistung | 50% |
Einstiegsgehalt | -10% |
Die Arbeitsleistung des neuen Mitarbeiters nimmt stetig zu. Der Einfachheit halber wird hier ein linearer Anstieg der Arbeitsleistung angenommen, so dass sich im Mittel eine Leistung von 50% ergibt. Die sinkende Motivation neuer Mitarbeiter durch schlechte Arbeitsverhältnisse habe ich der Einfachheit halber nicht berücksichtigt.
Auswertung der Ergebnisse
Unter Berücksichtigung der oben genannten Punkte ergeben sich folgende Verluste (im Vergleich zur Gruppe der „motivierten Mitarbeiter“):
motivierter Mitarbeiter | Mitarbeiter mit Schwierigkeiten | Mitarbeiter mit großen Problemen, Ängsten | |
---|---|---|---|
Verdienstklasse hoch | - 0 % | - 37,84 % | - 85,94% |
Verdienstklasse mittel | - 0% | - 32,28 % | - 73,38 % |
Verdienstklasse niedrig | - 0% | - 39,65% | - 89,61% |
Auch wenn die Ergebnisse aufgrund der grob geschätzten Datenbasis nur begrenzt aussagekräftig sind, eine Erkenntnis bleibt: bereits relativ geringe Einschränkungen der Arbeitskraft führen zu einem beachtlichen Verlust. Selbst wenn wir den Verlust für einen Mitarbeiter der mittleren Motivationsstufe großzügig reduzieren, bleibt noch ein Wert von ‑25%. Ein Viertel! Dieser Verlust multipliziert sich, sobald mehrere Mitarbeiter betroffen sind – und ist damit ohne Frage geschäftsschädigend.
Zudem wurden nicht alle Folgen gesunkener Arbeitsmoral beachtet. So ist sicherlich zu erwarten, dass mit sinkender Motivation die Fehlerquote steigt. Jeder Fehler bedeutet nicht nur den Verlust der eigentlichen Arbeitskraft in der Zeit, in der der Fehler passierte, sondern zusätzliche Investition von Kraft, Zeit und ggf. Mitteln, um diesen Fehler zu beheben.
Klar ist, dass nicht alles, was zu einer verminderten Arbeitsleistung beim Arbeitnehmer führt, seine Ursache im Arbeitsumfeld hat. So kann nun ein Arbeitgeber argumentieren, es läge häufig gar nicht in seinem Verantwortungsbereich. Dennoch wirkt sich eine reduzierte Arbeitsleistung direkt negativ auf den Gewinn eines Unternehmens aus – völlig unabhängig davon, wo genau die Ursachen dafür liegen. Ein Arbeitgeber tut also in jedem Fall gut daran, sich ernsthaft und urteilsfrei um das Wohlergehen seiner Mitarbeiter zu kümmern. Die Früchte seiner Fürsorge wird er zukünftig nicht nur in monetärer, sondern auch in menschlicher Form ernten können.